Alles ist für immer

Mit dieser Aussage meint Silke Blomeyer auch ihre Malerei. Man könnte einen Vergleich zu Gerhard Richters “Alles sehen, nichts begreifen³ ziehen, zumindest im Hinblick auf das Sehen des Malers, das in beiden Aussagen als ein nicht wertender Vorgang beschrieben wird.

Was gibt es überhaupt für einen größeren Anreiz zum Malen als die Freude an der Farbigkeit, wie sie Kinder beim Anblick bunter Bilder haben. Doch die meisten von uns verfolgen diese Spur im späteren Leben nicht weiter und ersetzen das vorurteilslose Schauen durch Vorstellungen, wie die Dinge zu sein und wie sie auszusehen haben. Staunen und Begeisterung scheinen im täglichen Leben eher hinderlich oder überflüssig zu sein.

Dazu gibt es heute noch die allgemeine Vorstellung, Malerei wäre erst einmal Suche nach dem Sinn, eine Art Selbstverwirklichung. Demnach, da es eine “Suche³ sein soll, wäre etwas verloren gegangen, der Maler, die Malerin würde also unter einem Mangel leiden. Eine Malerin wie silke Blomeyer verfügt dagegen über einen Überfluss, den sie gerne mit uns teilt in ihren Bildern. Diese Bilder werden von einem Reichtum an Tönen, Nuancen, und Farbvariationen getragen. Zwischen den lauten Solisten ihres Orchesters wie “Neongelb, “Opernrosa³, “Leuchttürkis³ und “Fluoreszierendem Rot³ liegt das Heer der feinen, stilleren Grautöne und Erdfarben. Somit leuten die Bunttöne in mitten gedämpfter Felder, die zum Anschauen verführen.

Die Felder ordnen sich wie Hoheitsgebiete auf einer Landkarte nach Farben und haben teils willkürlich gesetzte, teils scheinbar “ gewachsene³ Grenzen. Diese Grenzen entstehen aus dem Malvorgang, wenn Silke Blomeyer frühere Farbschichten verändert, überlagert oder konkreter macht. Dies vibrierende Geographie läßt einen vibrierenden Fonds entstehen, auf dem gelegentlich kräftige kleinere Markierungen sitzen, so wie in Atlanten die Hauptstädte hervorgehoben werden.

Es scheint, als höre die Künstlerin beim Malen einen Ton, den sie festzuhalten sucht und uns als Erfahrung in Form von Malerei mitteilen will. Jedes Bild speist seine Energie aus dem Vorgänger, und weil nicht jeder Moment in der gleichen Stimmungslage erlebt wird, zeigen die Bilder verschiedene Empfindungen und sind nicht gleich. Um so arbeiten zu können wie Silke Blomeyer, nämlich auf einer leeren Fläche ohne Vorbilder zu haben, Farben zu setzen, bedarf es neben langer künstlerischer Ausbildung und Berufserfahrung vor allem einer Zuversicht, ja einer Glaubens, dass Kommunikation ohne Worte zwischen Menschen, gleichsam von Seele zu Seele, möglich ist.
Und das war schon immer die Überzeugung der Maler, an die wir uns heute erinnern.

Wolfgang Koethe
Arbeiten an der Farbe

Kleine Formate sind Silke Blomeyer am liebsten. handliche Größen, die der Betrachter schnell im Griff zu haben glaubt, mit den Händen wie mit den Augen. Nichts könnte weiter von der Realität entfernt sein. Die klaren Kompositionen mit ihren klar gesetzten Farbfeldern beruhen auf einem Netz von Pinselstrichen: Arbeitsspuren, die energetisch über die Leinwand laufen, hinein in die Farbschichten. Und plötzlich spürt man etwas von der Konzentration, die dafür nötig war und von der Leichtigkeit, mit der Silke Blomeyer Farben setzt.

Ränder entstehen nicht einfach, sondern sind sensibel akzentuiert. Schichten stoßen hart aufeinander, gehen gezielt ineinander über oder werden frech verdrängt. Sie steigern sich in Tiefe und Intensität. Die Künstlerin arbeitet mit der Farbe .Oder viel mehr an ihr. Bei ihr gibt es kein Nachbessern. Was nicht sofort sitzt, wird gnadenlos übermalt. “Im Fluß bleiben³, nennt Silke Blomeyer dieses Prinzip.Ganze Kompositionen verschwinden unter Schichten, die aufbauend etwas Neues schaffen. Silke Blomeyers Malerei wir zur Reise, die keine Abfahrtspläne und Pauschalangebote kennt, sondern aus Herausforderungen besteht, auf die sich der Kunstfreund einlassen muß. Da ist kein Schwarz, nirgends, Silke Blomeyer besitzt keine solche Farbe in ihrer Palette. Und doch gibt es sie, als Ergebnis des Arbeitsprozesses, der Schichten aufbaut, Schichten aus Zeit und Pigment. Umbra-Blau schlägt ins Schwarze.Trifft.

Kompositionen umspielen einen Leitton, wie die gelbe Serie, an der Silke Blomeyer seit Herbst 2001 arbeitet. So suggestiv teilen die Arbeiten ihren Bildraum, daß man mitunter an Nationalzeichen denkt. Doch da ist keine Heraldik, kein Horizont. Weder weht eine Flagge, noch sind Anklänge an eine Landschaft gewollt. Nur Farbfelder, die Silke Blomeyer souverän setzt. Und immer wieder die Möglichkeiten der Malerei auslotet.

Dr.Oliver Herwig

Galerie Forum Lindenthal

Farbklangtafeln

Wenngleich sich Silke Blomeyers abstrakt-expressive Oelfarbenmalerei vorwiegend auf kleinen Leinwandformaten entfaltet, bergen die wenig über eine ruhige Quadratform hinaufstrebenden Bildtafeln imaginär auch größere Dimensionen in sich. Aus der Distanz gesehen, erkennen wir im belebenden Hell-Dunkel-Kontrast zunächst leuchtende Konstellationen von horizontal verlaufenden Farbstreifen oder kompositionell ausgeglichenen quadratischen und rechteckigen Farbfeldern. Doch die kleinformatigen Gemälde verlocken zum Nähertreten- und schon offenbart sich dem Auge des Betrachters der ganze, über eine geometrische Farbfeldordnung weit hinausreichende Reichtum einer Malkunst, die nicht allein die emotionale Wahrnehmung der Grundformeln Form und Farbe anspricht, sondern ein seltenes Beispiel vielschichtiger und empfindsamer Malerei vermittelt. Denn wir sehen keine formenreine "Hard-edge"-Malerei. Die Staffelungen der farbigen Streifen und Farbfeldquadrate zerfließen wie aquarelliert an ihren Rändern, sie erzeugen weiche, grenzüberschreitende Verbindungen miteinander und fördern die Aesthetik farblicher und struktureller Ein- und Zusammenklänge. Farbtöne als "Klänge" emotionaler Stimmungen, wie sie schon Wassily Kandinski in seinen Bildern malte, evozieren auch in Silke Blomeyers Gemälden

ein gestalterisches Streben nach belebter und zugleich kontrapunktischer Harmonie. So bindet sich selbst ein hell leuchtendes Rot oder ein Gelborange in das farbliche Konzept ein, was die Künstlerin vor allem durch sensible Zumessung und Ausgewogenheit der farbigen Helligkeitswerte bewirkt. Denn gleichsam wie Musik vereinen sich die unterschiedlichen farblichen Tonlagen chromatisch zu einer konzertierten Aktion zart oder heftig anklingender Halbtöne, die uns Silke Blomeyers Farbe-Form-Kompositionen aus vielerlei Haupt- und Nebenklängen sinnlich umfassend erleben lassen.

In pastosen, fast reliefartigen Schichtungen des Farbmaterials erreicht die Malerin durch mehrere, nicht deckende Farblagen und strukturierende Übermalungen mit hellen oder dunklen Farben sowohl eine expressive Farbmischung durch Transparenz als auch jene sanfte, an gewebte Textur erinnernde Materialität ihrer Malerei. Farblich darunterliegendes- gewissermaßen die Grund- und Zwischentöne - tritt schimmern zutage und färbt das farblich Darübergelegte wie ein Accompagnement mit ein. Das hat zur Folge, daß in den jeweiligen geometrischen Farbfeldern nicht nur eine einzige Farbe bestimmend ist, vielmehr eine vibrierende Farbigkeit das Auge einstimmt. Zudem tragen Größe und Form des Farbfeldes sowie seine farbliche Konstellation zu den Nachbarfarben über die Wirkung des Komplementär- oder Simultankontrastes erheblich zur jeweiligen Klangfarbe und zur kompositionellen Gesamtwirkung mit bei.

In den grob strukturierten Farblasuren, pastos mit waagrecht oder senkrecht geführten Pinselstrichen aufgetragen, bricht sich das Licht und reizt die vielschichtige Farbfeldmalerei hier zu heller und leuchtender, dort zu matter und sonorer Reflektion. Unter den brüchigen und durchlässigen Übermalungen schimmern verborgen gehaltene und wie glosende Glut leuchtende Farbschichtungen hervor. Manchmal überdecken die dunklen die hellen, dann wieder helle, ja weiß strahlende Farbtöne sowohl die leuchtenden als auch die dunklen Farblagen. So entwickeln die Farbflächen eine magische Transparenz und emotionale Tiefe der farbmateriellen Textur. Eine enge gestalterische Verwobenheit von Farbe, Form und Struktur ist erreicht. Geometrische Ordnung und farbig-malerische Emotion, Flächenkomposition und imaginäre Farbtiefe halten sich die Waage. Obwohl es sich um kleine Bildtafeln handelt, entwickeln Silke Blomeyers Gemälde auf der Wand, zum Raum und zum Betrachter eine stark ausstrahlende und emotional beeindruckende ästhetische Wirkung. Ihre Farbklangtafeln lösen bei aller Unterschiedlichkeit der Bildstimmungen- ob heiterer oder ernster, ob Moll oder Dur - grundsätzlich positive Empfindungen aus und bedürfen daher keiner beschreibender Titel. Zurückkommend auf meine erste Beobachtung aus der Ferne, läßt sich nach erfolgter näherer Betrachtung sagen, daß die ästhetische und sinnlich wahrnehmbare Spannung der jeweiligen malerischen Komposition ganz der gewählten Formatgröße entspricht. Größe ist bekanntlich nichts Absolutes , und der Geist

und Sinn einer Sache- auch der einer Malerei- ist letztendlich von höherer Bedeutung als die physikalische Dimension.

Dr. Gerhard Kolberg

Die Malerin Silke Blomeyer begann ihr Kunststudium 1986 an der Ecole des Beaux-Arts in Rennes. 1988 wechselte sie an die Münchener Akademie der Bildenden Künste zu den Professoren Tröger und Zeniuk. Am Ende ihres Studiums war Silke Blomeyer Meisterschülerin bei Zeniuk.
In der Ausstellung sind ungegenständliche Ölbilder aus vier Arbeitsjahren zu sehen, die die künstlerische Entwicklung Silke Blomeyers zu wachsender formaler Vereinfachung und steigender Komplexität der Farbbeziehungen belegen.
In den Bildern werden Form und Farbe als autonome Ausdrucksmittel behandelt, das heißt sie haben keine über ihre eigene Erscheinung hinausweisende Bedeutung. Sie unterliegen lediglich den Gesetzen der Bildlogik, die sie selbst konstituieren und damit den Beziehungen, die sie untereinander eingehen.

Am Anfang der Ausstellung stehen Bilder, die aus unregelmäßigen, farbigen Formstücken komponiert sind. Flächenform und Farbrhythmus sind in weitestem Sinne noch aus einer abstrahierenden Gegenständlichkeit abgeleitet, aber bereits so weit vom konkreten Gegenstand entfernt, daß sie als ungegenständliche Farb-Formgebilde erscheinen. Im weiteren entschied sich die Künstlerin konsequent gegen jeden expressiven formalen Ausdruck zugunsten sich wiederholender, geometrischer Teilungen der Bildfläche. Die Gemälde zeigen eine Vierteilung, eine Querteilung und eine regelmäßige, sich durchdringende vertikale und horizontale Gliederung.

So entstehen einfachste, aus dem Bildformat abgeleitete Strukturen, die als Gerüst zur Entwicklung von Farbigkeiten dienen. Das Angebot der Bilder von Silke Blomeyer für den Betrachter liegt ausschließlich auf der Ebene der Farbwahrnehmung.

Die formale Beschränkung auf der einen Seite soll es ermöglichen, auf der anderen Seite die Farbwirkungen präziser als differenzierte, autonome vor allem aber als aktive Farberscheinungen darstellen zu können: Jede Farbe im Bild beeinflusst die anderen Farben in ihrer Wirkung und wird selbst von den anderen Farben beeinflusst, so daß am Ende ein kompliziertes Netz von Farbwirkungen und -beziehungen auf der Leinwand zum Vorschein kommt.

Die Künstlerin läßt dieses Farbgewebe in einem langen Malprozess entstehen. Sie übermalt ihre Bilder immer wieder und verändert sie dabei so lange vollständig, bis ein klares Gleichgewicht der Farben untereinander erreicht ist. Das Farbgewebe existiert deshalb nicht nur in der Fläche, sondern auch in mehreren übereinandergelegten Farbschichten. Dieses Vorgehen bleibt auch auf dem fertigen Bild sichtbar, zum Beispiel durch einen transparenten Farbauftrag, dadurch, daß die Künstlerin nie auf der Palette sondern immer direkt auf der Leinwand mischt und vor allem an den unregelmäßigen Rändern, wo untere Farbschichten bestimmend in Erscheinung treten.

Die Qualität der Bilder von Silke Blomeyer liegt darin, daß sich jede Farbe im Bild als Farbindividualität behauptet und damit Gleichgewicht und Bildspannung aufrechterhält. Erst durch die sichtbar gemachte Kraft der Farben und den Ausgleich dieser Farbenkräfte gegeneinander wirkt das fertige Bild dicht, klar und geschlossen. Es stellt am Ende selbst ein Kraftfeld dar, das über sich hinausstrahlt. Die Bilder sollen das Auge so unmittelbar ansprechen, wie Töne das Gehör, der Farbklang der Bilder soll sich ausbreiten, wie Musik.